Ablenkungsfrei

Darf ich vorstellen: Das ist »Wittgenstein«. So habe ich mein neues »Spielzeug« getauft, eine Freewrite Schreibmaschine, die ablenkungsfreies Schreiben ermöglicht. Keine Benachrichtungen, keine Anrufe, keine Nachrichtenseiten, kein Social Media und keine verlockenden Shoppingangebote bei Amazon. Nur der Text und ich.

»Früher« war das normal. Als ich 1993 mein Volontariat im Tageszeitungsjournalismus begonnen habe, waren Schreibmaschinen allgegenwärtig in den Redaktionen. Mit dem Einzug der Computer stieg auch die Komplexität des Berufs exponentiell an, und es sollte keine 20 Jahre mehr dauern, ehe Journalisten mit Smartphone, Digitalkamera, Laptop oder iPad und Twitter ─ einem endlosen Strom an Neuigkeiten ─ ausgestattet waren.

Zeit zu reflektieren? Adé! Fortan war unser Leben ─ nicht nur das von Journalisten ─ durchdrungen von einem andauernden Mahlstrom an Informationen, Fakten, Gerüchten, Fakenews und alternativen Wahrheiten. Die Fähigkeit zur Differenzierung und Bewertung von Information war fortan nicht den Journalisten vorbehalten, sondern benötigte jeder. Aber ich schweife ab.

Den Freiraum zum Schreiben müssen sich Schreibende, ob Journalist:innen, Schriftsteller:innen oder Wissenschaftler:innen seither immer wieder mühsam zurück erobern.

Inzwischen ist die Zahl der »distraction-free« Apps beinahe ins Unüberschaubare gewachsen, einige, wie Writeroom oder iAWriter habe ich selbst ausprobiert. Viele dieser Apps, die einfach das »leere weiße Blatt« imitieren funktionieren gut. Aber eben nur so lange, wie man nicht vom Gerät selbst, ob Computer oder Smartphone, gestört wird. Ja, ich weiß, es gibt heute Fokus-Modus etc.

Wittgenstein, meine neue Schreibmaschine, hilft mir dabei, nicht nur ablenkungsfrei zu schreiben (es unterbindet mangels Verfügbarkeit ja auch die Versuchung), sondern auch das Gefühl beim Schreiben zurückzuholen, das mir vor 30 Jahren den Beruf so attraktiv erscheinen ließ.

Ich will mich jetzt gar nicht über die Vor- und Nachteile der Freewrite auslassen, das kann man alles im Internet nachlesen, es gibt zahlreiche Rezensionen, Tutorials, Videos dazu (einfach nach Astrohaus Freewrite suchen).

Ein Punkt, der mich bislang vom Kauf abgehalten hat, war der unverschämt hohe Preis. Fast 800 Euro muss man für das Modell der neuesten Generation hinblättern, wenn man es neu kauft. Vor ein paar Tagen stieß ich bei Kleinanzeigen auf ein wahres »Schnäppchen« (tatsächlich haben die Geräte einen noch geringeren Wertverlust als die Geräte mit dem Apfel), mehr als 200 Euro günstiger für ein halbes Jahr altes Gerät der neuesten Generation.

Seitdem nutze ich immer wieder die Gelegenheit, damit zu schreiben. Zum Beispiel diesen Text, dank nahtloser Cloudsynchronisierung kann ich ihn im Nu in eine andere App kopieren. Und das ist dann doch ein deutlicher Unterschied zu früher, als das Manuskript erst einmal abgetippt und gesetzt werden musste. Oftmals lag zwischen Finalisierung und Veröffentlichung mindestens ein Tag.

Meinung dazu? Schreib mir per E-Mail.


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